„Heimat – Fremde – Zukunft“
Zukunftswerkstatt im Ernst-Bloch-Zentrum
In dieser Runde des Schulen-Wettbewerbs der Quandt-Stiftung geht es um „Fremde – Heimat – globale Welt“. Im Rahmen einer Schreibwerkstatt des Ernst-Bloch-Zentrums wurde diesen Begriffen ein weiterer hinzugefügt: „Zukunft“. Am 18. November 2010 entwickelten 20 Schülerinnen und Schüler der BBS ihre Gedanken zu Fragestellungen von Identität und kulturellem Pluralismus weiter und kombinierten sie mit kreativem Schreiben.
Als Veranstalter das Ernst-Bloch-Zentrum auszuwählen, lag dabei durchaus nahe. An Blochs Biografie lassen sich die zahlreichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts mit ihren vielfach drastischen Folgen überdeutlich nachvollziehen: Der in Ludwigshafen geborene marxistische Philosoph mit jüdischen Wurzeln (1885–1977) entkam beiden Weltkriegen und den Schrecken des Nationalsozialismus durch Rettung ins Exil, nahm nach der deutschen Teilung eine Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig auf, wurde aber bald von der SED als Dissident begriffen. Während des Mauerbaus am 13. August 1961 war Bloch zufällig in der Bundesrepublik und kehrte nicht wieder in die DDR zurück.
Ein zweiter Grund, die Veranstaltung im Bloch-Zentrum durchzuführen, ergibt sich aus der zentralen Rolle, die dem Begriff „Heimat“ bei Bloch zukommt:
„Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ (Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Dritter Band. 1959)
Die Veranstaltung wurde von Dr. Frank Degler, dem Leiter des Ernst-Bloch-Archivs, und Sebastian Görtz, dem Wissenschaftlichen Volontär des Ernst-Bloch-Zentrums, durchgeführt. Zusammen mit den Schülerinnen und Schülern sammelten sie zunächst eine Vielzahl von Assoziationen zum Wechselspiel von Heimat und Fremde. Die so entstandene Schlagwort-Sammlung wurde nach einer kurzen Einführung in die Grundlagen literarischen Schreibens in kreative Form gebracht. Die Schüler schrieben Haikus, Elfchen und Kreuzwortgedichte und bewiesen mit überaus gelungenen Ergebnissen ausgesprochenes Schreibtalent.
Nach diesem Exkurs in die Lyrik gipfelte die Veranstaltung im Versuch, einen Text Ernst Blochs weiterzuerzählen. Bloch hatte im Text „Das rote Fenster“ eine Kindheitserinnerung niedergeschrieben. Auf einer Abbildung, die mit „Mondlandschaft“ überschrieben war und von der er angenommen hatte, es sei eine Landschaft auf dem Mond, hatte der Knabe ein Haus betrachtet, das in einer Winterlandschaft lag, über der hell der Mond strahlte. Eines der Fenster des Hauses war rot erleuchtet. Die Schülerinnen und Schüler der BBS überlegten nun, was hinter dem Fenster habe liegen können: Etwas Vertrautes? Etwas Fremdes? Oder etwa gar etwas Zukünftiges? Ihre Gedanken verfestigten sie in einem kurzen Prosatext. Die Vielfalt der Ergebnisse, der Tiefsinn und die durchgehend hohe Qualität überraschten. In einer Abschlussrunde präsentierten die Nachwuchsautorinnen und -autoren ihre Resultate und erfuhren, wie groß die Vielfalt der Geschichten sein konnte, obwohl sie allesamt auf ein und derselben Vorgabe beruhten.
Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt sollen demnächst in einem gemeinsam mit der Stadtbibliothek herausgegeben Buch veröffentlicht werden. Eine öffentliche Präsentation der Schülertexte findet voraussichtlich am 24. März 2011 statt.
Autoren: Dr. Frank Degler, Sebastian Goertz