Im Rahmen des Projektes der Herbert-Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ kamen am Montag, 29.12., zwei jüdische Jugendliche und eine Begleiterin von dem Projekt „Likrat“ der ‚Hochschule für jüdische Studien’ aus Heidelberg in den Unterricht der BOS 2 zu einem Austausch über das Judentum, seinen Glauben und seine Bräuche.
Die Schüler und Schülerinnen hatten Fragen gesammelt wie: „Was macht der Zentralrat der Juden in Deutschland?“, „Ist das Judentum eine Religion oder eine Nation?“, „Was heißt „koscher“ leben?“, „Wie gehen Juden mit den Sünden um?“ Die Jugendlichen Sapir und Pavel, trainiert in dem Projekt Likrat für den Dialog mit Gleichaltrigen, sowie Frau Benizri, jüdische Religionslehrerin in Baden-Württemberg, antworteten engagiert den Schülern, so dass diese einen persönlichen Eindruck von heutigem jüdischen Leben in Deutschland erhielten.
Ein Schüler griff zu Beginn des Gesprächs die Vorstellung des neuen Vorsitzenden des Zentralrats in den TV-Berichten vom Vortag auf, der seine Aufgabe nicht mehr nur auf die Rolle des Mahners beschränken will. Frau Benizri wies darauf hin, dass er der erste Vorsitzende sei, der den Holocaust nicht erlebt hat und es insofern einen Generationswechsel gegeben habe.
Pavel legte dar, dass Judentum für ihn mehr Religion als Nation sei. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es für in Deutschland aufgewachsene Juden keine Selbstverständlichkeit sei, sich zur deutschen Fahne zu bekennen. Frau Benizri verdeutlichte dies an der WM 2006, als ihr Sohn in einem Baumarkt auch auf Nachfrage hin den „Deutschland-Elch“ verlangte. Das daran anschließende Gespräch zeigte, dass ein unbefangenes Verhältnis zur Nationalfahne in Deutschland – zumindest für die in den 50er Jahren Geborenen – aufgrund der national-sozialistischen Verbrechen keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Äußerung Pavels „Der Übertritt zum Judentum würde dem neuen Mitglied bewusst schwer gemacht“, löste bei den Schülern kritische Nachfragen aus. Die Gäste wollten dies nicht als Schikane verstanden wissen, sondern als Wunsch der jüdischen Gemeinde, nur Neumitglieder zu gewinnen, die es wirklich ernst mit dem Judentum meinen. Die Schüler erblickten darin eine Ungerechtigkeit, weil es sicher auch einige „geborene“ Juden gäbe, die es mit ihrer Religion nicht so genau nähmen. Dieser Punkt wiederum veranlasste einen stark christlich geprägten Schüler zu erzählen, dass er sich wundere, zu den ganz wenigen seines Jahrgangs zu gehören, die sich zu ihrer Religion bekennen. Sapir und Pavel bestätigten ihm, dass dieses Phänomen genauso unter jüdischen Jugendlichen zu beobachten sei.
Breiten Raum nahm die Frage nach „koscherem Essen“ ein. Frau Benizri gab einen Crashkurs über „koscheres Kochen“. Die Gäste verwiesen darauf, dass dieses eine Frage der Gewohnheit sei, im Alltag weniger Probleme aufwerfe, als es von außen erscheine, und im Übrigen auch in den einzelnen Familien unterschiedlich streng gehandhabt werde. Frau Benizri meinte in diesem Zusammenhang, dass es ihr wichtig sei, ihren Sohn durch übertriebene Strenge nicht zu einem „Alien“ zu erziehen.
Selbst die Frage der Enthaltsamkeit wurde angesprochen und zügig mit dem Hinweis auf nicht wahrnehmbare Unterschiede zu den Nichtjuden in dieser Hinsicht beantwortet.
Ein letztes Thema war die Frage nach dem Umgang mit Schuld und Sünde. Frau Benizri verwies auf den Feiertag Jom Kippur, den Versöhnungstag. Sie erzählte, dass die Gläubigen sich im Vorfeld des Gottesdienstes anriefen, sich für Verfehlungen entschuldigten und sich um einen Neuanfang im Verhältnis zu ihren Mitmenschen bemühten.
Schnell verging die Zeit, die Doppelstunde reichte nicht, alle Fragen zu beantworten. Frau Benizri erklärte sich gerne bereit wiederzukommen.
Autor: Christoph Weitz